In einem magischen Moment, an einem kleinen Ort, wurde die Geschichte der Erde, von Kulturen und Nationen, von Leben und Vergehen, zu unserer ganz persönlichen Geschichte. Wie zwei unendlich lange Pfeile durch die Zeit kreuzten sich unsere Wege an der südenglischen Küste der Neuzeit.
In Mrs. Simpsons Frühstückspension trafen wir am Abend eines ungewöhnlich sonnigen Frühlingstages aufeinander, den wir am Strand verbracht hatten, du schreibend, ich wandernd. Aus unseren Hosentaschen zogen wir uralte Steine, versteinerte Muscheln, Fliesen aus Häusern, deren Bewohner schon lange ausgezogen waren, noch bevor wir sprachen. Als stolze Zeugen der Epochen lagen unsere Fundstücke auf Mrs Simpsons Tisch. Wie selbstverständlich fügten sich die Relikte in die Ordnung der anderen. Mein Blick ruhte in deinem.
Was führte an jenem Tag dazu, dass sich unsere Wege trafen? Als hätten die steinernen Relikte nur auf uns gewartet, damit wir uns einen Tag unserer Leben schenken.
In Schichten von Geschichte, geformt durch die Gezeiten, unter dem Sediment der Epochen, erwartete uns unsere Begegnung. Unter dem Druck der Schichten reifte der Moment, ganz ohne Hast, an dem du und ich wie vorherbestimmt für diesen einen Tag, an diesem unwahrscheinlichen Ort, zum Wir wurden.
Die Geraden unserer Lebenswege begegneten sich an einem 8. Mai, sechs Tage vor Vollmond, in unvorstellbarer Perfektion. Hier, in Dorset, trafen sie im spitzen Winkel bedeutungsvoll aufeinander und entfernten sich danach unaufhaltsam. Der Zweck ist erfüllt. Mit dem Reichtum von Jahrtausenden in unseren Hosentaschen und in unseren Herzen reisen wir durch die Zeit.
Fundstücke gesehen in Südengland.
Text: Katharina Frier-Obad
Foto: Jari Berger
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