Gestatten, Oscar

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Das Ergebnis einer Studie belegt, was auch schon vorher alle wussten: Bestimmte Vornamen haben eine stärkere Wirkung als andere. Bei Namen wie Shannon, Chantal, Jaqueline, Kevin und Justin hat ein großer Teil der Deutschen ein bestimmtes, unvorteilhaftes Bild vor Augen. Lehrer geben Kindern mit diesen Namen weniger bereitwillig gute Noten. Das Ergebnis einer weiteren Studie ist, dass Menschen mit Namen, die auf einen Migrationshintergrund hindeuten, bei gleichen Qualifikationen schlechtere Jobchancen haben als Leute mit anderen Namen.

Auch wenn ich es nur ungern zugebe: Dass Vornamen mit fragwürdigen, aber hartnäckigen Assoziationen verknüpft sind, kenne ich leider auch von mir selbst. Weil ich einmal eine komische Silke kennengelernt habe, erinnere ich mich bei diesem Vornamen immer sofort an deren sonderbare Eigenschaften. Auch eine zweite Silke passte natürlich sofort in dieses Schema. Meine Verknüpfung: Heißt Silke, muss komisch sein! So schnell geht das. (Silke ist dabei nur ein Platzhalter. Ich kenne mehrere sehr nette Silkes.)

Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass es andersherum aber auch so ist, dass Kinder mit zunächst gewöhnungsbedürftiger Benennung ganz schnell in ihre Namen hineinwachsen. Schon nach wenigen Wochen ist der Name selbstverständlich und kommt mir gar nicht mehr komisch vor. Frieda war zum Beispiel für mich so ein Name. Befremdlich zunächst, dann aber schnell irgendwie passend und inzwischen vollkommen normal.

Kindernamen unterliegen – schwer zu übersehen – Moden wie Kleidungsstile und haben viele Einflussgrößen. Politische zum Beispiel. Der Vorname Adolf war spätestens ab 1945 in Deutschland nicht mehr so richtig, nun ja, angesagt. Auch der popkulturelle Einfluss auf die Namengebung ist riesig. In England waren zum Beispiel 1964, auf dem Höhepunkt der Beatlemania, sowohl Paul als auch John unter den fünf beliebtesten Vornamen. Gern genommen sind auch immer wieder die Namen von Schauspielerkindern, heute zum Beispiel Maddox, Cruz, Luna, Noah.

Nochmal eine eigene Bedeutung haben beliebte Vornamen aus der DDR. Peggy, Doreen, Ronny und Maik waren dort lange sehr beliebt, in der Bundesrepublik wurden sie nur selten vergeben. Erklärungsmodelle wie Sehnsucht nach Mondänität und Exotik sind umstritten, die Motivation sicher auch individuell sehr unterschiedlich. „Vielleicht waren [die Namen] einmal gemeint als Demonstration herbeigesehnter Weltläufigkeit“, spekuliert zumindest Anne Hähnig in der Zeit Online.

Heute gibt es in den neuen Bundesländern unter anderem eine Häufung des Vornamens Oskar. Zur Namensherkunft finden sich unterschiedliche Interpretationen. Einerseits ist Oscar (vom altirischen oscara, „der den Hirsch liebt“) in der keltischen Mythologie Irlands der Sohn von Oisín und der Enkel von Fionn mac Cumhail. Im Altisländischen bedeutet „as“ Gottheit, „geirr“ Speer, der Name bedeutet also demnach „Gottheit mit Speer“. Die aktuelle Beliebtheit des Namen könnte aber vielmehr an einem beliebten Kinderbuch mit dem Titel „Gestatten – Oskar“ von Peter Brock liegen. Der Held der Erzählung macht ziemlich viel Unsinn und ist dabei tatsächlich frech wie Oskar, offenbar eine Art ostdeutscher Michel aus Lönneberga. Das Buch erschien 1969. Das Publikum von damals hat nun selbst Kinder und erinnert sich an den frechen Helden.

In meiner westdeutschen Kindheit ist mir dieser Oscar leider nie begegnet, wie so viele andere ostdeutsche Kindheitshelden. Ich bin aufgewachsen mit der Sesamstraße, unter anderem mit dem liebenswerten Muffel Oscar, der in der Mülltonne wohnt und Müll liebt. Als Antiheld wurde die Figur seit dem Serienstart als Fürsprecher für alles Andersartige eingesetzt, denn das, was Oscar schön findet, ist für die meisten Leute hässlich und eklig. Außerdem trat das schleimgrüne Zottelmonster gegen den Reinheitswahn an – wohlgemerkt in den Siebzigern! –, denn Oscar aß mit Vorliebe Dinge, die er irgendwo gefunden hatte. So richtig schätzen konnte ich den Stellenwert der Figur Oscar damals allerdings noch nicht, und so war meine Lieblingsfigur in der Sesamstraße dann auch gar keine Muppet-Puppe, sondern die Schauspielerin Lieselotte Pulver, zwischen 1977 und 1982 in der Sendung, die ihren sehr schönen Vornamen abkürzte und sich Lilo nannte – ein Name, der bis heute bei mir sehr positiv besetzt ist. Wie das wohl kommt..?

Meine Prognose ist ja, dass schon bald Namen wie Renate, Brigitte, Erika, Norbert, Erwin und Dieter wieder in Mode kommen. Es dauert noch so etwa fünf bis zehn Jahre, dann heißen die Neugeborenen wieder so – und genau wie Klara-Emma-Fritz-Franz wird auch das ganz schnell selbstverständlich sein.

Wie ist das bei euch – welche Namen sind bei euch vorurteilsbehaftet? Nach welchen Heldinnen und Helden habt ihr eure Kinder benannt? Welche Namensmoden macht ihr gerne mit, welche auf gar keinen Fall?

Text: Katharina Frier-Obad
Foto: Corinna Wodrich

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