Man nehme

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Ich gehöre ja zu den Menschen, die beim Kochen durchaus gerne nach Rezept arbeiten. Das tun nicht alle Leute: Während ich nachlese, wie viele Minuten der Kuchen backen oder das Gemüse garen soll und sogleich einen Wecker auf die angegebene Minutenzahl stelle, machen andere Familienmitglieder das Pi mal Schnauze: Ofen auf, Kuchen rein, zwischendurch mal nachgucken, irgendwann is’ gar.

Sehr viel Freiraum lässt das Rezept für Zitronen-Shrimps-Nudeln auf dem heutigen Bild. “Dann Zitronenschale” können Leute, die kochtechnisch nicht so versiert sind, aber auch ins Grübeln bringen. Was genau soll mit der Zitronenschale passieren? Ich kann nur vermuten, dass sie, fein von der Frucht geraspelt, noch vor der Sahne in die Pfanne gegeben werden soll. Doch was passiert mit dem Rest der Zitrone? Man weiß es nicht!

Das abgebildete Rezept lässt noch mehr Platz für Kreativität. Mengenverhältnisse? Kochdauer? Geht auch aus der Lamäng. Müssen die Nudeln gekocht sein, bevor sie – echt wichtig – dazukommen? Oder gehört die Pasta gar nicht in die Sahnesauce, sondern wird getrennt serviert? Naja, geht wahrscheinlich beides.

Noch ein paar andere wichtige Details fehlen in der Anleitung, zum Beispiel der Hinweis auf geeignete Zitronenschale. Beim Verwenden von abgeriebener Zitronenschale empfiehlt es sich, unbehandelte Zitronen zu verwenden, am besten Bioware. Ein großer Teil der im Handel erhältlichen konventionellen Zitronen sind mit einem oder mehreren Pestiziden behandelt. Diese Pestizide haben eine fungizide Wirkung, schützen die Frucht also vor Pilzbefall und haben klangvolle Namen wie Thiabendazol, Imazalil oder Orthophenylphenol. Die meisten dieser Konservierungsstoffe sind deklarierungspflichtig. Das heißt, auf dem Netz oder auf dem Schild im Laden muss angegeben sein, mit welchen Stoffen die Zitronen behandelt wurden. Offenbar muss allerdings nur angegeben werden, womit die Früchte nach der Ernte behandelt wurden. Pestizide, die schon vor der Ernte aufgebracht wurden, müssen nicht oder nur bedingt aufgeführt werden. Einige dieser Stoffe wirkten im Tierversuch krebserregend. Supermarktproben ergeben, dass die zulässigen Grenzwerte in der Regel eingehalten werden – dennoch taucht immer wieder die Empfehlung auf, die Schale nicht zu verzehren und Zitrusfrüchte grundsätzlich vor dem Verzehr mit heißem Wasser zu waschen. Nach dem Hantieren mit dem Obst, so etwa der Rat der Verbraucherzentralen, sollte man sich die Hände waschen.

Ich finde es schwierig einzuschätzen, ob hier wirklich eine große Gefahr lauert. Schimmliges Obst will niemand essen – aber welches Risiko geht von den Stoffen aus, die nach dem Waschen noch auf der Schale sind? Der Schadstoffgehalt innen in der Frucht ist offenbar weitaus niedriger als der außen, denn das Gift dringt nur in sehr geringer Menge durch die dicke Schale. Ein ungutes Gefühl bleibt für mich auf jeden Fall, und bei einem Gericht, das Zitronenschale enthält, würde ich, wenn irgend möglich, Biozitronen verwenden und mich nach Möglichkeit auch genauer über Herkunft und Zertifizierung der sauren Früchtchen informieren.

Ein anderes Thema bei diesem Rezept sind natürlich die … Shrimps.

Shrimps gehören wie Prawns, Gambas und ihre kleinen Verwandten aus der Nord- und Ostsee zur Familie der Garnelen. Die Handelsnamen sind oft ein bisschen verwirrend, da sie sich eher auf die Größe der Tiere und die Fangtiefe beziehen als auf die tatsächliche Gattung. Fest steht, dass die Nachfrage hierzulande in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Ein Teil der bei uns verzehrten Garnelen sind Kaltwassergarnelen. Sie kommen aus Gewässern um Grönland, Island oder Norwegen und werden meist mit Schleppnetzen vom Meeresboden gefangen. Den anderen Teil bilden Warmwassergarnelen aus Gewässern in Asien und Südamerika. Viele dieser Garnelen werden in Aquakultursystemen gezogen, sind also Zuchtkrabben. Große Anteile der weltweiten Shrimpsproduktion kommen aus Thailand und China, wo überwiegend Garnelen aus der Familie der Penaeidae gezüchtet werden.

Man muss Zuchtfische und -krabben nicht zwangsläufig ablehnen – wer Fleisch isst, nimmt Tierzucht grundsätzlich in Kauf. Nichtnachhaltige Aquakultursysteme stehen aber heftig in der Kritik, unter anderem, weil die Aquakultur vor Ort große Auswirkungen auf die Umwelt hat. Für die Zucht werden zum Beispiel in Thailand spezielle Salzwasserteiche angelegt, die die Mangrovenwälder zerstören. Mangroven sind einzigartige Küstenwälder, die im Gezeitenbereich warmer Regionen vorkommen. Sie sind hochsensible Ökosysteme und haben viele ökologische und wirtschaftliche Funktionen. Sie werden durch das Anlegen der Zuchtteiche meist unwiderruflich zerstört. Zudem gelangen Chemikalien, Futterreste und Medikamentenrückstände aus den Teichen ins Meer und ins Grundwasser. Durch die Monokultur treten unter den Tierpopulationen häufig Seuchen auf, die unter anderem mit Antibiotika behandelt werden. Außerdem werden die Zuchtgarnelen fast ausnahmslos exportiert. Für die Ernährung der einheimischen Bevölkerung stehen sie also nicht zur Verfügung.

Das heißt nicht, dass man grundsätzlich auf Garnelen verzichten sollte – man sollte nur auch hier sehr genau hingucken, was man kauft. Genaue Tipps gibt zum Beispiel der Fischratgeber von Greenpeace. Hier sind Speisefischarten und ihre Fangarten und -regionen aufgeführt, die noch einigermaßen unbedenklich sind.

Insofern lädt das Foto auch dazu ein, kochkreativ zu sein und andere Zutaten auszuprobieren. Zum Beispiel Pasta mit Zitrone und Lauch, das stelle ich mir sehr lecker vor. Ein Rezept stelle ich bei Bedarf gern zur Verfügung – auch mit Minutenangaben.



Kochinspiration gesehen in Hamburg

Text: Katharina Frier-Obad
Foto: Corinna Wodrich

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