Nur an Selbstabholer

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Abreißzettel liegen im Trend. Es ist ja auch so schön einfach: Man schreibt ein Gesuch oder ein Angebot auf einen Zettel, schneidet unten auf ein paar Fransen zum Abreißen eine Telefonnummer oder E-Mail-Adresse zur Kontaktaufnahme und hängt die Zettel an möglichst viel frequentierte Straßenecken, in Cafés oder Supermärkte. Seit Jahrzehnten werden so Mietwohnungen und WG-Zimmer „hier im Kiez“ gesucht und gefunden, Motorboote verkauft und Babysitter vermittelt.

In letzter Zeit gibt es vermehrt Abreißzettel, deren Angebot einzig und allein im abzureißenden Schnipsel besteht. „Nimm dir, was du brauchst“, steht da etwa. Auf den Schnipseln werden „Liebe“, „Hoffnung“ oder ein „Knuddel“ angeboten. Oft kann man sich Schnipsel mit einem Herzchen abreißen. Oder ein „ja“ oder „nein“ auf die Frage, ob man in Eile sei. Noch häufiger gibt es Lächeln zum Mitnehmen in Form von Smileys zum Abreißen. Dabei sind die Zettel gerade deshalb ansprechend, weil sie so unaufdringlich sind und nichts verkauft wird.

Vielleicht geht es auch um das Zusammenspiel des ideellen Angebots mit den oft handschriftlichen und mit liebevollem Design versehen Zetteln. Sie tragen das Gütesiegel „selbstgemacht“ und „aus der Nachbarschaft“ und stehen im angenehmen Gegensatz zur Unpersönlichkeit von Onlinemarktplätzen und -auktionsplattformen. Funktionieren tun sie vielleicht trotzdem in der Logik sozialer Netzwerke: So könnte man das mitgenommene Lächeln als analoges „Gefällt mir“ sehen.

Interessant ist, dass auf fast allen Lächeln-to-go-Abreißzetteln der Smiley zum Mitnehmen auf der Seite liegt. Bei einer Telefonnummer bietet es sich ja an, den Abreißer quer zu beschriften. Ein Smiley würde hingegen auch aufrecht Platz finden.
Die Ursache liegt wahrscheinlich darin, dass uns die meisten Smileys heutzutage liegend begegnen – in Kurznachrichten, Mails oder im Chat. Dass wir die Zeichensequenz aus Doppelpunkt, Bindestrich und schließender Klammer sofort als fröhliches Gesicht erkennen und nutzen, verdanken wir übrigens Scott Fahlmann. Der Informatikprofessor aus den USA gilt als Erfinder der Emoticons, also der Verwendung von ASCII-Zeichen zum Ausdrücken von Gefühlen. Er schlug 1982 in einem Uni-Diskussionsforum vor, die Zeichenfolge zum Kennzeichnen humorvoller Beiträge zu benutzen.

Der Smiley an sich – also noch aufrecht stehend, mit den Augen oben und dem Mund unten – ist als Symbol noch gar nicht so alt. Die früheste dokumentierte Nutzung fand laut der World Smile Foundation 1963 statt, als ebenfalls in den USA der Werbegrafiker Harvey Ball zwei Punkte und einen gebogenen Strich in einen gelben Kreis zeichnete. Der Entwurf war eine Auftragsarbeit für eine Versicherungsfirma, die das Betriebsklima verbessern wollte. Ball erhielt 240 Dollar für seine Arbeit an der Kampagne. Rechtlich schützen ließ er seinen Entwurf nicht. Das tat später die Smiley Company der französischen Unternehmer Franklin und Nicolas Loufrani. Die Firma ließ sich das Smiley-Gesicht in vielen Staaten als Marke schützen. 

Dadurch sollte man sich aber das Lächeln nicht vermiesen lassen. Ein Russe scheiterte vor einigen Jahren immerhin daran, sich den Augenzwinker-Emoticon markenrechtlich schützen zu lassen.

Dass Lachen gut ist, ist inzwischen übrigens durch verschiedene Studienergebnisse auch wissenschaftlich bestätigt. Wer sich mies und traurig fühlt, sollte einfach lachen, denn allein die physische Aktion des Lachens zieht die gute Laune regelrecht an. Mitverantwortlich dafür ist offenbar ein Impuls des Augenringmuskels, der dem Gehirn meldet: alles paletti. Am besten funktioniert das, wenn man sich selbst im Spiegel anlächelt und es dabei schafft, nicht nur den Mund, sondern auch die Augen einzubeziehen. Das merkt man daran, dass die Augen schmaler werden und sich außen daneben kleine Lachfalten bilden. Erlaubt ist auch Nasekrausziehen und Ohrenwackeln. Darüber kommen viele Leute ins echte Lachen, was wiederum für eine tatsächlich bessere Laune sorgt. Die Wirkungen des Lachens sind Stressabbau, Stimulierung von Herz und Kreislauf, Muskelanspannung und -lockerung (genau, die Bauchmuskeln!) und die Förderung von Heilungsprozessen. Vielleicht ist es einfach mal den Versuch wert, dem Spiegelbild gleich morgens ein erstes Lächeln zu schenken – schaden kann es jedenfalls nichts.

Als Erinnerung kann man sich einen Smiley-Schnipsel an den Badezimmerspiegel kleben. Oder zwei. Oder drei! Das Beste am Lächeln: Wie so viele gute Dinge im Leben kostet es nichts – und da, wo es herkommt, gibt es noch viel mehr davon.

Smiles to go gesehen in Hamburg.

Text: Katharina Frier-Obad
Foto: Corinna Wodrich

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